Eine isländisch-finnische Gemeinschaftsausstellung in der felto – Filzwelt Soltau
Überall auf der Welt ist der Klimawandel in vielfältigen Lebensbereichen spürbar – ob als dramatisches Katastrophenereignis oder als schleichender Prozess. Wer mit dem Naturmaterial Filz arbeitet, hat eine besondere Beziehung zur Umwelt. Und so überrascht es nicht, dass 2019 die finnische Filzvereinigung filtti in Finnland und Island dazu aufrief, die verschwindende Natur in Filzwerken zu thematisieren. (Sie knüpfte damit an ein früheres Gemeinschaftsprojekt an, das 2017 unter dem Motto „Northern Landscapes“ den Weg für eine kreative finnisch-isländische Kooperation geebnet hatte.)
Eine Jury traf eine Auswahl aus den eingereichten Beiträgen. Kuratiert von Anna Gunnarsdottir, hatte die Ausstellung „Disappearing Nature“ ihre Premiere im Akureyri Art Museum in Island. Nach Corona-Zwangspause und Stationen in Finnland wird sie nun – dank des Engagements der Ausstellungskoordinatorin Sirpa Mäntylä – erstmals in vergleichsweise südlichen Regionen gezeigt: Für gut drei Monate ist sie in der felto – Filzwelt Soltau zu Gast.
Schnee und Eis, Gletscher und Wasser spielen in vielen Werken eine wichtige Rolle, aber auch Tiere und Pflanzen, Luft und Erde rücken in den Blick. Die Bandbreite der Gestaltung reicht von abstrakt bis konkret und von bildlichen Umsetzungen über Skulpturales bis zu Kleidung. Gefilztes wurde dabei teilweise mit anderen Techniken wie Sticken, Stricken und Drucken weiterbearbeitet oder kombiniert.
Von Tiina Mikkelä stammt ein prächtiges Stiefelpaar mit dem Titel „Am Wegesrand“. Es leuchtet in sattem Grün, ist üppig bestickt mit schönen Wiesenblumen. Auf den ersten Blick scheint Natur hier nicht zu verschwinden, sondern aufzublühen. Bei näherem Hinsehen fällt auf, dass die Stiefel unterschiedlich dekoriert sind: eine bunte Pflanzenmischung auf dem einen Schuh, blaue und weiße Lupinen auf dem anderen. Der Kommentar erläutert, dass letztere die Vielfalt der in Finnland heimischen Arten bedrohen und verdrängen. Auch bei etlichen anderen Werken verbirgt sich hinter einem schönen Anblick ein beunruhigender Hintergrund. So etwa bei Rea Pelto-Uotilas Beitrag „Das Eis schmilzt“, der wie eine wunderbare Eisblume wirkt – aber mit einer Leerstelle in der Mitte und wasserblauen Tupfen in den eisigen Blättern die Gefährdung andeutet.
Die Beschäftigung mit dem Thema hat sich in einigen Fällen direkt auf das eigene Arbeiten ausgewirkt: So hat Leena Aaltio für ihr Werk nur vorhandene Materialien aus ihrem Lager verwendet, während Leena Sipilä bei ihrem Projekt auf Seife verzichtet hat und möglichst sparsam mit Wasser umgegangen ist. „Disappearing Nature“ löst in der Filzwelt die niederländische Ausstellung „Das gefilzte Riff – Korallenwelt in Not“ und die kanadische Präsentation „Like a Rolling Stone – Steinreiche Lebenswelt“ ab. Alle drei Ausstellungen stellen die Natur und ihre Gefährdung in den Mittelpunkt. Sie können und wollen Anstoss sein, beim Genießen der Filzkunst darüber nachzudenken, wie jede und jeder Einzelne im Kleinen dazu beitragen kann, dass die Natur nicht nur in unserer Erinnerung weiterlebt.
Vom 20. August bis zum 26. November ist die Ausstellung im Rahmen der Filzwelt-Öffnungszeiten (jeden Tag von 10 bis 18 Uhr) zu besichtigen.